Dieser Blog-Artikel soll allen helfen, die Anforderungsspezifikationen immer noch mit Word und Excel erstellen. Ich selbst habe auch lange den „Marktführer“ für Requirements Engineering benutzt und kann jedem nur raten auf ein Werkzeug umzusteigen. Doch warum sind Werkzeuge sinnvoll und was spricht gegen Word und Excel?
Solange Sie kleine übersichtliche Systeme entwickeln, ist das mit Word sicherlich zu managen. Problematisch wird es, wenn Sie mehrere hundert oder tausend Anforderungen haben und verschiedene Ebenen (System, Hardware, Software, Mechanik) abbilden wollen. Dann kommt man mit Word an seine Grenzen. Und das habe ich selbst mehrmals leidvoll erlebt. Probleme, die dann auftreten können, sind z.B.:
- Eine Anforderung des Kunden ändert sich. Worauf hat diese Anforderung eine Auswirkung?
- Haben wir alle Design-Anforderungen aus dem Pflichtenheft abgeleitet?
- Hat jede Anforderung einen Testfall und ist dieser bestanden oder nicht?
- Wie kann ich feststellen, wer wann was geändert hat?
- Kann ich die Traceability Matrix automatisch erstellen oder muss ich eine Excel Tabelle von Hand ausfüllen?
Wenn Ihnen diese Probleme bekannt vorkommen, dann rate ich Ihnen zu einem Requirements Engineering Werkzeug. Es gibt verschiedene Werkzeuge auf dem Markt und Sie sollten sich Zeit nehmen, um das richtige Werkzeug für Ihr Unternehmen zu finden. Ich möchte in diesem Blog-Artikel ein Werkzeug vorstellen, welches auf den ersten Blick oft nicht als solches erkannt wird. Es handelt sich um Enterprise Architect von Sparx Systems. Das Tool ist insbesondere im Software-Engineering weit verbreitet und wird zur UML-Modellierung genutzt. Das Tool unterstützt ebenfalls SysML und damit ist es möglich Anforderungen in einem Modell zu verwalten. Insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen spielen die Kosten für die Werkzeuge eine wichtige Rolle. Enterprise Architect hat den Vorteil, dass die Preise mit ca. 200 – 600 € pro Lizenz sehr günstig sind im Vergleich zu anderen Werkzeugen. Viele Unternehmen nutzen das Werkzeug zudem bereits zur Modellierung. Dann ist es nur konsequent auch die Requirements Engineering Fähigkeiten zu nutzen.
Wie funktioniert das Requirements Engineering mit EA?
Die Funktion soll an dieser Stelle anhand eines Beispiels gezeigt werden. Im nachfolgenden Bild ist Enterprise Architect dargestellt.
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Dipl.-Ing. Goran Madzar, Gesellschafter, Senior Systems Engineer E-Mail: madzar@medtech-ingenieur.de Tel.: +49 9131 691 240 |
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Das Modell befindet sich im Project Browser rechts oben. Hier liegen Elemente, Diagramme und Daten. Die Ordnerstruktur wird benutzt, um Ebenen hierarchisch zu trennen oder Kapitel innerhalb von Dokumenten zu erstellen. Aus einem Ordner oder Paket im Project Browser kann ein Dokument (z.B. eine Spezifikation oder Testspezifikation) ausgeleitet werden. Die Diagramme (in der Mitte dargestellt) stellen eine Sicht auf ein Modell dar. In diesem Beispiel sind Anforderungen miteinander verknüpft. Im Feld Notes ist die Anforderung dokumentiert. Jede Anforderung hat eine eindeutige ID und einen Titel. In der Toolbox (linke Seite) können Elemente oder Verknüpfungen in ein Diagramm gezogen und damit erstellt werden. Auf der rechten Seite ist die Traceability der markierten Anforderungen sichtbar. Hier kann man schnell nachvollziehen, wo die Anforderung herkommt, wozu sie führt und wie sie getestet wird.
Was sind die Vorteile von Enterprise Architect?
- Alle Anforderungen und Testfälle erhalten automatisch eine eindeutige ID.
- Anforderungen können über verschiedene Ebenen (System, Software, Hardware, Mechanik) hinweg verknüpft werden.
- Die Verknüpfung geschieht grafisch in einem SysML-Modell.
- Durch eine durchgängige Traceability ist nachvollziehbar woher Anforderungen stammen und was dahinter steckt. Das erleichtert den Umgang mit Änderungen.
- Die Traceability Matrix kann automatisch jederzeit erstellt werden.
- Es ist einfach möglich festzustellen, ob Anforderungen nicht verknüpft sind oder Testfälle fehlen.
- Spezifikationen und Testspezifikationen können aus dem Modell generiert werden.
- Jede Änderung im Modell (wer hat, wann was geändert?) ist in einem Audit Trail dokumentiert.
- Modell und Anforderungen sind in einem Werkzeug abgebildet.
- Anforderungen können aus dem Modell importiert und exportiert werden.
- Mit Kosten von ca. 200-600 € pro Lizenz ist das Werkzeug extrem günstig.
Was sind die Nachteile von Enterprise Architect?
- Das Tool würde ursprünglich für Software Entwickler erstellt und ist von der Bedienung nicht für jeden geeignet. Erfahrung im Umgang mit Modellierungswerkzeugen ist notwendig.
- Das Werkzeug bietet nicht alle Funktionalitäten „out of the box“. Das ist aber im Übrigen bei keinem Werkzeug der Fall. Es ist notwendig das Werkzeug zu konfigurieren und für eigene Zwecke anzupassen.
Mein Fazit
Mit Enterprise Architect kann man sehr gut arbeiten. Und wer die Vorteile einmal zu schätzen gelernt hat, wird Word oder Excel in Zukunft meiden. Wichtig ist aber zu beachten, dass die Einführung eines Werkzeuges erst einmal Zeit und Energie kostet. Aus meiner Erfahrung benötigt eine Organisation ca. ein Jahr, um sich an ein Werkzeug zu gewöhnen. Diese Veränderungen können zunächst zu Widerstand führen. Es ist wichtig sich Zeit für die Einführung zu nehmen.
Falls Sie Fragen haben oder sich mit mir austauschen möchten, stehe ich gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Ich freue mich über Feedback und wenn Sie mit mir in Kontakt treten. Sie können gerne auch einen Kommentar zu dem Artikel abgeben. Falls Sie jemanden kennen, für den der Blog ebenfalls interessant sein könnte, freue ich mich auch sehr über eine Weiterempfehlung.
Viele Grüße
Goran Madzar
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