Medical Device Regulation MDR – das Experiment beginnt

Goran Madzar

07/31/2017

Manchmal passieren Dinge, deren Auswirkungen erst Jahre später so richtig erkennbar werden. So etwas ist auch am 25.05.2017 passiert. Die EU Verordnung 2017/745 ist in Kraft getreten. Die MDR ersetzt die MDD (93/42/EWG) und die AIMD (90/385EWG). Die IVD (98/79/EWG) geht in die IVDR über. Das alles sind wohl die Folgen des Brustimplantate Skandals PIP, bei der ein Hersteller Industrie-Silikon anstelle hochreinen medizinischen Silikones verwendete. Die Auswirkung der neuen MDR sind nach und nach erkennbar, wenngleich immer noch viele Fragezeichen bei den Herstellern und den Benannten Stellen zurückbleiben. In diesem Artikel möchte ich auf den aktuellen Stand eingehen.

Warum MDR?

Sicherheit und Wirksamkeit sind die Basisanforderungen an ein Medizinprodukt. Und nur für sichere und wirksame Produkte kann eine Konformität bestätigt werden. Daran ändert sich auch in Zukunft nichts. Die MDR will klarere Vorgaben geben und die Transparenz der Anforderungen erhöhen. Auch soll die Vorgehensweise der Kontroll- und Prüforgane einheitlicher werden. Es wird verschärfte Kontrollen vor und nach dem Inverkehrbringen geben. Bei den auf dem Markt befindlichen Produkten soll die Rückverfolgbarkeit verbessert werden und die Öffentlichkeit bessere Informationen erhalten. Diese und weitere Gründe sollen letztendlich zu mehr Patientenschutz führen.

Ihr Ansprechpartner:

Dipl.-Ing. Goran Madzar, Gesellschafter, Senior Systems Engineer 
E-Mail: madzar@medtech-ingenieur.de
Tel.:  +49 9131 691 240
 

Benötigen Sie Unterstützung bei der Entwicklung Ihres Medizingeräts? Wir helfen gerne! Die MEDtech Ingenieur GmbH bietet Hardware-Entwicklung, Software-Entwicklung, Systems Engineering, Mechanik-Entwicklung und Beratung aus einer Hand. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

Kontakt aufnehmen

Aufbau der MDR

Die MDR glieder sich in 10 Kapitel und ist im Vergleich zur MDD völlig neu strukturiert.

  1. Kapitel: Anwendungsbereich und Definitionen
  2. Kapitel: Anforderungen an Hersteller, Distributoren und Mitgliedsstaaten: Konformitätsbewertungsverfahren, Labeling, Post-Market Clinical Follow-up, Post-Market Surveillance u.v.m.
  3. Kapitel: Nachverfolgbarkeit von Produkten v.a. UDI
  4. Kapitel: Anforderungen an die Benannten Stellen
  5. Kapitel: Klassifizierung und Konformitätsbewertung
  6. Kapitel: Klinische Bewertungen und klinische Prüfungen
  7. Kapitel: Marktüberwachung, Meldewesen
  8. Kapitel: Zusammenarbeit von Mitgliedsstaaten, „Medical Device Coodination Group“ und anderen Experten
  9. Kapitel: Vertraulichkeit, Datenschutz, Strafen
  10. Kapitel: Übergangsfristen und mehr

Noch interessanter sind jedoch die Anhänge, die sich auf 17 Kapitel verteilen.

  1. General safety and performance requirements
  2. Technical documentation
  3. Technical documentation on post-market surveillance
  4. EU declaration of conformity
  5. CE marking for conformity
  6. Information to be submitted with the registration of devices and economic operators (UDI)
  7. Requirements to be met by notified bodies
  8. Classification criteria
  9. Conformity assessment based on a quality management system and assessment of the technical documentation
  10. Conformity assessment based on type examination
  11. Conformity assessment based on product conformity verification
  12. Procedure for custom-made devices
  13. Certificates issued by a notified body
  14. Clinical evaluation and PMCF
  15. Clinical investigations
  16. List of groups of products without an intended medical purpose
  17. Correlation table

Die MDR können Sie kostenfrei herunterladen:

MDR auf Englisch

MDR auf Deutsch

Was sind Common Specifications?

Bisher waren harmonisierte Normen das Mittel der Wahl, um die Konformität nachzuweisen. Neben den Normen gibt es in Zukunft auch „Common Specifications“, die die EU-Kommision herausgibt, wenn sie der Meinung ist, dass harmonisierte Normen fehlen oder unzureichend sind. Diese gemeinsamen Spezifikationen bezeichnen eine Reihe technischer und/oder klinischer Anforderungen, die es neben den Normen einzuhalten gibt. Die Normengremien werden damit ein Stück weit eingebremst und der Kompetenz beschnitten. Für die Hersteller ergeben sich somit eventuell neue Anforderungen.

Implementing Acts und Guidances

Weitere Anforderungen ergeben sich durch die europäischen Implementing Acts und Implementing Guidences, die sehr schnell veröffentlicht werden können und sofort gültig sind. Damit sind Hersteller in der Pflicht ständig zu prüfen, ob es neue Anforderungen gibt, die zu erfüllen sind. Die Länder selbst können auch sogenannte National Implementic Acts verabschieden.

Was ist mit Software?

Regel 11 der MDR sagt dazu: Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische Zwecke herangezogen werden, gehört zur Klasse IIa, es sein denn, diese Entscheidungen haben Auswirkungen, die Folgendes verursachen können:

  • den Tod oder eine irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes einer Person; in diesem Fall wird sie der Klasse III zugeordnet, oder
  • eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder einen chirurgischen Eingriff; in diesem Fall wird sie der Klasse IIb zugeordnet.

Damit wird es bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. KIS/HIS, RIS/Pacs-Datastores kaum noch Klasse I Software geben.

Was gibt es sonst zu beachten?

  • Die Klassifierung der eigenen Medizinprodukte ist dringend zu überprüfen. Wer bisher ein Klasse I oder IIa/b Produkt hatte, findet sich schnell in einer höheren Produktklasse wieder. So werden aktive therapeutische Produkte mit diagnostischer Funktion oder geschlossenen Regelsystem, wie z.B. ein automatischer externer Defibrillator, in Zukunft ein Klasse III Produkt anstelle von IIb sein. Die Klassifizierung von Software wird strenger werden.
  • Die Anforderungen an die Dokumentation von Medizinprodukten wird in Anhang II neu und detailliert geregelt. Hier kann sich Mehraufwand für die Dokumentation ergeben.
  • Die EUDAMED Datenbank wird in Zukunft sehr viele Informationen an einer Stelle bündeln. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten für die Kontroll-Instanzen. Fällt ein Medzinprodukt eines Herstellers gehäuft mit einem Problem aus, so ist es möglich dass der Hersteller daraufhin direkt angesprochen wird.
  • Jedes Produkt enthält in Zukunft eine eindeutige Kennung, die sogenannte UDI (unique device identification).
  • Die Unternehmen benötigen in Zukunft eine Verantwortliche Person, die über qualifiziertes Fachwissen verfügt.
  • Klinische Bewertungen und klinische Prüfungen werden deutlich detaillierter geregelt. Hier werden sich Mehraufwände für die Hersteller ergeben. Alle Hersteller sollten möglichst Daten aus dem Feld (Post-Market-Surveillance) erheben und in die klinischen Bewertungen mit einbeziehen. Wer noch keine Daten hat, der sollte sich sputen.
  • Bei Hochrisiko-Produkten sollen die Benannten Stellen eine Expertenkommission (die Medical Device Coordination Group (MDCG)) im sogenannten Scrutiny Verfahren mit einbeziehen. Diese können dann wissenschaftlichen Rat im Bezug auf Sicherheit und Leistung des Produktes geben.
  • Wiederaufbereitung von Einmalprodukten sind strenger geregelt.
  • Die bisherigen PLM/OEM-Konstruktionen werden nicht mehr in dieser Form akzeptiert.
  • Händler, Importeure und andere wirtschaftliche Akteure werden deutlich mehr in die Pflicht genommen.
  • Es gibt Änderungen beim Konformitätsbewertungsverfahren die zu beachten sind.

Zeitplan

In der Tabelle sind die wichtigsten Termine gelistet, die einen Überblick geben, wie der Zeitplan aussieht.

Datum Was passiert da?
26.05.2017 Die MDR tritt 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
26.11.2017 Ab diesem Datum können sich Benannte Stellen neu benennen lassen.
26.05.2020 Geltungsbeginn der MDR
26.05.2024 Spätestens 4 Jahre nach Geltungsbeginn der MDR enden die Gültigkeit der MDD-Zertifikate.

Was ist jetzt also zu tun?

3 Jahre vergehen schnell und daher ist es wichtig zügig mit der Arbeit anzufangen. Am besten setzt man ein Projekt auf und definiert ein Team, um sich auf die neue MDR einzustellen.

Schritte können wie Folgt aussehen:

  1. Erstellung eines Projektplanes und Einplanung von Ressourcen
  2. Schulung des Projektteams auf die neue MDR
  3. Überprüfung der bestehenden Produkt-Klassifizierung
  4. Festlegung, welche Produkte eingestellt oder weiter vertrieben werden sollen
  5. Aktualisierung der Technische Dokumentation (insbesondere klinische Bewertungsberichte / PMS)
  6. UDI einführen
  7. Verantwortliche Person(en) benennen und schulen
  8. Neue Verträge mit Händlern abschließen
  9. QMS aktualisieren
  10. PMCF Daten sammeln

Sprechen Sie auch mit ihrer Benannten Stelle. Von den heute 55 Benannten Stellen, werden mit Sicherheit nicht alle auch die neuen Benannten Stellen nach MDR werden. Experten gehen davon aus, dass es hier zu einigen Veränderungen kommen wird. Doch die Auswirkungen der neuen MDR werden neben den Benannten Stellen insbesondere die Hersteller und Händler treffen. Große Konzerne werden die neuen Richtlinien deutlich einfacher stemmen können als kleine und mittelständische Unternehmen. Wie das Experiment ausgeht, weiß heute noch niemand. Von den ca. 500.000 Medizinprodukten hat noch keines ein CE-Zeichen nach MDR.

Viele Grüße

Goran Madzar


Geschrieben von Goran Madzar

MEDtech Ingenieur aus Leidenschaft! Mein Team und ich helfen Medizintechnik-Herstellern mit Engineering-Dienstleistungen dabei, Produkte zu entwickeln und in Verkehr zu bringen! Sprechen sie mich gerne an, ob bei LinkedIn oder per Mail. Ich freue mich Sie kennenzulernen.


Weitere Beiträge

  • 04/09/2023
  • Allgemein, Normen, Qualität, Testen

Um eine hohe Produktqualität zu gewährleisten und Kunden zufriedenzustellen, müssen Qualitätsprobleme frühzeitig erkannt, analysiert und behoben werden. Hier ist CAPA ein bewährtes Instrument, um Unternehmen dabei zu unterstützen, die ...

Weiterlesen
  • 04/07/2023
  • Allgemein, Hardware, Technik

Kennst du dich mit Batterien und Akkus aus? Der Livestream „Keysight: Live from the Lab“ gibt eine gute Einführung in die Thematik. In dieser Livestream-Reihe, die von Keysight gehostet ...

Weiterlesen
  • 16/11/2022
  • Mechanik

Viele Projekte bei MEDtech Ingenieur werden vom gesamten Team – das sind Hardware, Software, Mechanik, Systems Engineering und Qualitätsmanagement – bearbeitet. Das Schöne an der Entwicklung von solchen (Gesamt-)Systemen ...

Weiterlesen
Cookie-Übersicht

Die Internetseiten der MEDtech Ingenieur GmbH verwenden Cookies. Cookies sind Textdateien, welche über einen Internetbrowser auf einem Computersystem abgelegt und gespeichert werden.

Zahlreiche Internetseiten und Server verwenden Cookies. Viele Cookies enthalten eine sogenannte Cookie-ID. Eine Cookie-ID ist eine eindeutige Kennung des Cookies. Sie besteht aus einer Zeichenfolge, durch welche Internetseiten und Server dem konkreten Internetbrowser zugeordnet werden können, in dem das Cookie gespeichert wurde. Dies ermöglicht es den besuchten Internetseiten und Servern, den individuellen Browser der betroffenen Person von anderen Internetbrowsern, die andere Cookies enthalten, zu unterscheiden. Ein bestimmter Internetbrowser kann über die eindeutige Cookie-ID wiedererkannt und identifiziert werden.

Durch den Einsatz von Cookies kann die MEDtech Ingenieur GmbH den Nutzern dieser Internetseite nutzerfreundlichere Services bereitstellen, die ohne die Cookie-Setzung nicht möglich wären.

Mittels eines Cookies können die Informationen und Angebote auf unserer Internetseite im Sinne des Benutzers optimiert werden. Cookies ermöglichen uns, wie bereits erwähnt, die Benutzer unserer Internetseite wiederzuerkennen. Zweck dieser Wiedererkennung ist es, den Nutzern die Verwendung unserer Internetseite zu erleichtern. Der Benutzer einer Internetseite, die Cookies verwendet, muss beispielsweise nicht bei jedem Besuch der Internetseite erneut seine Zugangsdaten eingeben, weil dies von der Internetseite und dem auf dem Computersystem des Benutzers abgelegten Cookie übernommen wird.

Die betroffene Person kann die Setzung von Cookies durch unsere Internetseite jederzeit mittels einer entsprechenden Einstellung des genutzten Internetbrowsers verhindern und damit der Setzung von Cookies dauerhaft widersprechen. Ferner können bereits gesetzte Cookies jederzeit über einen Internetbrowser oder andere Softwareprogramme gelöscht werden. Dies ist in allen gängigen Internetbrowsern möglich. Deaktiviert die betroffene Person die Setzung von Cookies in dem genutzten Internetbrowser, sind unter Umständen nicht alle Funktionen unserer Internetseite vollumfänglich nutzbar.

Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Unbedingt notwendige Cookies

Dieses Cookie wird benötigt, um Ihre Cookie-Einstellungen zu merken und weitere Hauptfunktionen zur Verfügung zu stellen

Um Ihnen eine Auskunft über Ihre gespeicherten personenbezogenen Daten hier (https://medtech-ingenieur.de/gespeicherte-daten-2/) geben zu können, benötigen wir einen Cookie, um Sie bei der Datenabfrage identifizieren zu können. Dieser Cookie muss aus Sicherheitsgründen deshalb aktiviert sein. Ein weiterer Cookie wird gesetzt, um diesen Banner nicht erneut anzeigen zu müssen.

Cookie-Name Beschreibung
PHPSESSID Name: PHP session
Anbieter:
Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck:
Wir benötigt, um Sie bei der Anfrage von personenbezogenen Daten identifizieren zu können. Das Cookie wird nur gesetzt, wenn Sie eine Anfrage hier (https://medtech-ingenieur.de/gespeicherte-daten-2/) stellen.
Laufzeit: Sitzungsende
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies
moove_gdpr_popup Name: Cookie-Box Einstellungen
Anbieter:
Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck:
Wird benötigt, um Ihre Cookie-Einstellungen zu speichern, um den Cookie-Banner nicht erneut anzeigen zu müssen.
Laufzeit: 1 Jahr
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies
comment_author_9c90e388e3e1be4a6c594fa6ac8a3eec
comment_author_email_9c90e388e3e1be4a6c594fa6ac8a3eec
comment_author_url_9c90e388e3e1be4a6c594fa6ac8a3eec
Name: Kommentar Einstellungen
Anbieter:
Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck:
Cookie wird angelegt, wenn Sie ein Kommentar auf MEDtech Ingenieur veröffentlichen wollen, um Sie als Autor identifizieren und den aktuellen Status Ihres Kommentars anzeigen zu können. Das Cookie enthält den angegebenen Namen. Das Cookie wird erst gesetzt, wenn Sie der Speicherung Ihrer personenbezogenen Daten zustimmen.
Laufzeit: 1 Jahr
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies
rmp-rate Name: RMP Rate
Anbieter: Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck: Cookie wird angelegt, wenn Sie eine Bewertung eines Blogbeitrags mithilfe des Sternebewertungssystems abgeben. Ihnen wird eine anonymisierte ID zugewiesen, um zu erkennen, ob Sie einen Artikel bereits bewertet haben oder nicht. Das Cookie wird nur verwendet, um zu verhindern, dass mehrfache Bewertung abgegeben werden und erst gesetzt, wenn Sie auf einen Stern klicken.
Laufzeit: 1 Jahr
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies
medtech-download-page Name: Download Page
Anbieter: Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck: Cookie wird angelegt, wenn Sie den Landing-Page Prozess erfolgreich durchlaufen haben. Dies geschieht nur, wenn Sie einen Content-Download von unserer Website anstreben.
Laufzeit: 1/2 Jahr
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies