Keine Zeit für einen Zeitplan?

„Ich habe keine Zeit um einen Zeitplan zu erstellen. Ich muss vorankommen!“ So oder so ähnlich lautet oft die Aussage, die ich bekomme, wenn ich nach einem Zeitplan frage. Oft haben selbst Projektleiter keinen Zeitplan. Für alle, die das Thema Zeitplan aktiv angehen wollen, habe ich in diesem Artikel meine Gedanken über die Erstellung von Zeitplänen und Abschätzungen zusammengefasst.

Alle Aufgaben auflisten

Das klingt banal? Ist es auch. Um einen Zeitplan zu erstellen müssen alle Aufgaben aufgelistet werden. Hier kann ein Projektstrukturplan helfen, damit man wiederkehrende Arbeiten in einem Projekt nicht vergisst. Wichtig ist aber auch ein Brainstorming, welche Tätigkeiten sich ergeben werden. Alle Tätigkeiten müssen im Plan auftauchen. Wenn jemand 20% seiner Zeit Emails schreibt, dann bleibt nur 80% für restliche Arbeiten übrig. Dann gibt es aber noch Meetings und sonstige Tätigkeiten, die einem Zeit rauben. Diese Zeiten müssen im Plan berücksichtigt werden. Die Auflistung der Aufgaben kann auch im Team im Rahmen eines Planungsworkshops erfolgen.

Abschätzung der Aufwände

Jede Aufgabe benötigt Zeit. Daher sollen alle Aufgaben mit Aufwänden abgeschätzt werden. Die Schätzung kommt idealerweise von der Person, die die Aufgabe erledigen soll. Bei der Abschätzung ist es sinnvoll die minimale (Best Case), die realistische und die maximale (Worst Case) Abschätzung aufzunehmen. Daran erkennt man Arbeitspakete mit Unsicherheiten, die z.B. 10 Stunden oder 200 Stunden dauern können. Vermeiden sie es, zu große Arbeitspakete abzuschätzen. Arbeitspakete über eine Woche sind nicht geeignet für eine verlässliche Abschätzung. Brechen sie die Aufgaben entsprechend herunter.

Nicht vom Zieltermin beeinflussen lassen

Das ist leichter gesagt als getan. Es ist nämlich das Unterbewusstsein, das uns hier einen Streich spielt. Dieses Phänomen wird als Ankereffekt bezeichnet. Wenn ich Ihnen sage, dass ein Produkt nächstes Jahr im Juni auf den Markt kommen muss und sie anschließend frage, bis wann wir das Produkt fertigstellen können, dann ist der erste Gedanke, der ihnen durch den Kopf schießt Juni nächsten Jahres. Dagegen können wir nichts machen. Was wir aber wohl machen können, ist es die Aufgaben herunter zu brechen und die Aufwände zu schätzen. Dann kommen wir auf einen realistischeren Termin. Daher sollte man bei der Abschätzung versuchen den Zieltermin zunächst einmal außen vor zu lassen. Wenn man dann einen realistischen Plan hat, kann man prüfen, wie man Realität und Wunsch zusammenbringen kann.

Planungshorizont beachten

Bei der Zeitplanung gibt es verschiedene Planungshorizonte. So gibt es langfristige, mittelfristige und kurzfristige Planungshorizonte. Eventuell muss mein Produkt Mitte nächsten Jahres auf dem Markt erscheinen. Dann ist das mein langfristiger Planungshorizont. Es gibt aber auch einen EMV-Test der dieses Jahr noch stattfinden soll. Das ist mein mittelfristiger Planungshorizont. Und dann habe ich mit dem Team noch das Ziel in zwei Wochen ein Release fertig zu stellen. Das ist mein kurzfristiger Planungshorizont. Es ist aus meiner Sicht sehr zu empfehlen verschiedene Planungshorizonte zu besitzen und diese auch dem Team zu kommunizieren. Gerade der nächste Meilenstein muss jedem im Team bekannt sein! Wenn alle wissen, wo die Reise hingeht, dann kann man die nächste Marschrute festlegen und alles andere erst einmal ausblenden. Wichtig ist, dass sich die Werkzeuge für die Planung der verschiedenen Planungshorizonte unterscheiden. Die Aufgaben der nächsten ein paar Tage werden anders geplant als die Aufgaben über die nächsten Monate und Jahre!

Ihr Ansprechpartner:

Dipl.-Ing. Goran Madzar, Gesellschafter, Senior Systems Engineer 
E-Mail: madzar@medtech-ingenieur.de
Tel.:  +49 9131 691 240
 

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Multitasking vermeiden

Ich muss das machen, aber ich muss auch das machen, aber ich kann ja nicht beides machen. Also mache ich lieber gar nichts. Aber ich muss was machen.

Klingt verrückt, kommt aber oft genug vor. Priorisieren sie was getan werden soll und treffen Sie damit Entscheidungen. Die Entscheidung schließt mit ein, dass manche Dinge eben erst mal nicht getan werden. Tun sie die wichtigen und sinnvollen Dinge und lassen sie Sachen bewusst weg, die sie behindern.

Sachen einmal anpacken und abschließen

Gewöhnen sie sich an, Aufgaben zu 100% abzuschließen und nicht zu 80% oder 98%. Aufgaben abzuschließen hat nämlich einige Vorteile. Zunächst einmal ist es ein Punkt weniger, der zwischen Ihnen und dem Abschluss des Projektes steht. Ihr Kopf und ihr Schreibtisch werden frei für neue Aufgaben. Und dann gibt es noch einen Effekt, der nicht zu unterschätzen ist. Nachdem eine Aufgabe abgeschlossen ist, fühlt sich das super an. Sie sind hochmotiviert und möchten direkt die nächste Aufgabe abschließen. Werden Aufgaben nicht abgeschlossen, tritt der genau gegenteilige Effekt an den Tag. Sie fühlen sich schlecht und das bremst Ihre Produktivität erheblich!

Stolperfallen und Unklarheiten auflisten

Notieren sie alle Stolperfallen und Unklarheiten, die Ihnen bei der Abschätzung einfallen. Diese Punkte müssen sie im Nachgang klären. Ein Beispiel könnte sein, dass Ihnen eine Anforderung nicht klar ist. Daraus ergibt sich eine Unsicherheit für den Aufwand. Dann notieren sie sich diesen Punkt und klären sie diesen im Nachgang.

Zeitplanung ist Führung von Teams

Oft wird die Zeitplanung nur als Mittel gesehen, den Liefertermin und die Kosten abzuschätzen. Also Daten, die den Kunden, den Produktmanager oder den Chef interessieren. Aus meiner Sicht ist die Zeitplanung noch viel mehr. Sie dient dazu Teams zu führen. Denn letztendlich ergibt sich aus dem Zeitplan eine Liste der Aufgaben, die als nächste erledigt werden sollen. Wenn ich keinen Zeitplan habe, oder aber dieser nicht gut ist, was erwarte ich dann von dem Team? Diesen Aspekt der Zeitplanung sollte man sich immer vor Augen halten. Dann wird ersichtlich, warum ein Zeitplan eigentlich so wichtig ist. Das ist das Mittel Nummer Eins zur operativen Projektsteuerung.

Checklisten und Pattern nutzen

Oft werden Aufgaben systematisch immer wieder gleich durchgeführt. Dann bietet es sich an Pattern und Checklisten zu nutzen. So gibt es z.B. bei der Software Entwicklung immer ein Pattern, welches ungefähr wie folgt aussieht:

  • Spezifizieren
  • Implementieren
  • Unit testen
  • Code reviewen
  • Modul abschließen

Für solche Pattern bietet es sich an eine Checkliste zu erstellen. Damit ergibt sich auch direkt die Struktur für die Aufwandsabschätzung. Das gibt es übrigens auch für die Hardware und die Mechanik. Ich setze dazu verschiedene Checklisten immer wieder erfolgreich ein und wundere mich, wie Leute ohne solche Checklisten zurechtkommen.

Vorsicht vor MSProject

Microsoft Project ist ein absolut mächtiges Werkzeug um Zeitpläne zu erstellen und zu verwalten. Aus meiner Sicht ist es aber auch sehr gefährlich. In Projektplänen mit über 300 Zeilen ist es sehr schwer den Überblick zu behalten. Das kann der Projektleiter leisten, der den Plan erstellt hat und viel Zeit in den Plan steckt. Doch für alle anderen ist der Plan in Project Chaos. Im Projektplan werden alle Aufgaben vom Anfang bis zum Ende des Projektes hintereinander gehängt. Da kann man sehen, was man im nächsten Jahr so alles tut. Davor kann ich nur abraten. Vielmehr sollte man mit den Planungshorizonten arbeiten und die Aufgaben detaillieren, die tatsächlich anstehen. Möchte man jemandem seinen Plan zeigen, so muss eine DIN A4 Seite ausreichend sein. Falls man denkt, dass das nicht möglich ist, so hat man den Plan nur selbst noch nicht verstanden. Einen 300 Zeilen Projektplan zu reviewen macht absolut keinen Sinn. Der Effekt, der sich beim Entwickler einstellt ist übrigens wie folgt: „Hui, ist das viel Information. Was sehe ich da alles? Woher soll ich wissen, was ich in KW20 nächstes Jahr machen soll? Ach das hat doch alles keinen Wert hier!“ Wenn sie das nicht glauben, fragen sie den Entwickler doch mal ehrlich danach :-)

Aufwand, Kapazität und Termine kennen

Das ist für mich absolut entscheidend. Wer ein Projekt steuert (ganz gleich ob für sich selbst oder für ein großes Team) sollte die Zahlen kennen.

  • Welcher Aufwand ist bereits geleistet?
  • Wieviel Aufwand ist noch offen?
  • Stimmt das Verhältnis aus geleistetem und offenem Aufwand mit dem aktuellen Projektstand überein?
  • Wie viele Personen und damit welche Kapazität (Mann-Stunden) stehen zur Verfügung?
  • Welches sind die wichtigen Termine in meinem Projekt bis Projektende?

Wenn Sie diese Fragen nicht beantworten können, dann läuft das Projekt nicht gut oder Sie haben Glück :-)

Die 3 x 1/3 Regel

In Projekten sieht man oft Projektpläne mit 10% Spezifikation, 80% Implementierung und 10% Test. So ein Projekt habe ich noch nicht erlebt. Eine einfache Daumenregel ist, dass man für jede der genannten Tätigkeiten 1/3 der Zeit einplanen sollte. Diese Daumenregel sollte man beim Review eines Projektplanes beachten. Wenn es hier eine deutliche Abweichung davon gibt, so spricht das eher nicht für die Seriosität des Planes.

Puffer planen

Es gibt immer unerwartete Probleme und Aufgaben, mit denen man nicht gerechnet hat. Wenn man also nur alle Aufgaben schätzt, die einem einfallen, dann kann man den Termin unmöglich halten. Denn jedes Projektrisiko das zuschlägt und jede Aufgabe, die man nicht bedacht hat, führen zu einer Verzögerung. Daher bietet es sich an, mit Puffer zu planen. Für Interessierte zu dem Thema empfehle ich die Methode Critical Chain! Ein absolutes Muss für alle, die Projekte steuern.

Bottom Up – Top Down

Es gibt zwei Möglichkeiten die Aufwände für ein Projekt zu schätzen. Zum einen Bottom Up. Das bedeutet, dass alle Aufgaben aufgelistet und die Aufwände summiert werden. Daraus erhält man den Gesamtaufwand. Daneben kann man auch Top Down vorgehen. So kann man bereits abgeschlossene Projekte für die Abschätzung benutzen. Projekt A hat 14 Monate gedauert. Projekt B 18 Monate. Projekt C ist nun umfangreicher als Projekt A aber nicht ganz so komplex wie Projekt B. Dann könnten 16 Monate für Projekt C eine ganz realistische Einschätzung sein. Das Beste ist die beiden Methoden zu kombinieren und die Top-Down Abschätzung zur Plausibilitätsprüfung zu nutzen.

Review der Zeitplanung

Zeitpläne sind dazu da, damit man darüber spricht und nicht dazu, dass nur der Projektleiter sie kennt! Stellen sie den Projektplan dem Team oder anderen Personen vor und fragen sie nach Feedback. Das ist sehr wertvoll. Wichtig! Achten sie auf den Tipp mit Project. Nicht jeder kann sich einen Zeitplan in Project anschauen. Extrahieren sie die wichtigen Informationen aus dem Plan. Nur damit kann ein sinnvolles Review stattfinden.

Zeitverbrauch schätzen und Messungen verbessern

Aufwände werden geschätzt. Das ist auch ihre Schwäche, denn schätzen kann der Ingenieur nicht so gut wie messen. Warum misst man dann so selten? Die Aufwände werden in Unternehmen meistens sowieso erhoben. Warum dann nicht die Daten benutzen, um Erkenntnisse für neue Projekte zu benutzen. Oder wissen sie, wie lange ein Code Review oder eine Risikoanalyse für ein Klasse IIB Produkt dauert? Falls nein, haben sie noch nie eine gemacht? Es macht sehr viel Sinn, Daten zu erheben und Retrospektiven von Projekten durchzuführen. Hierbei kann man auch ermitteln, welche Aufwände sich in einem Projekt ergeben. Diese Daten sind sehr wertvoll für die nächsten Projekte.

Fazit

Projekte gut zu planen und zu steuern entscheidet darüber, ob ein Projekt erfolgreich wird oder nicht. Daher sollte man den Anspruch entwickeln, die Planung und Steuerung professionell und gut zu machen. Es macht auch viel mehr Spaß ein Projekt zu leiten und nicht als getriebener vom Projekt verfolgt zu werden.

Falls sie Fragen haben oder sich mit mir austauschen möchten, stehe ich gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.

Ich freue mich über Feedback und wenn sie mit mir in Kontakt treten. Sie können gerne auch einen Kommentar zu dem Artikel abgeben. Falls sie jemanden kennen, für den der Blog ebenfalls interessant sein könnte, freue ich mich auch sehr über eine Weiterempfehlung.

Viele Grüße
Goran Madzar

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Autor

  • Goran Madzar

    MEDtech Ingenieur aus Leidenschaft! Mein Team und ich helfen Medizintechnik-Herstellern mit Engineering-Dienstleistungen dabei, Produkte zu entwickeln und in Verkehr zu bringen! Sprechen sie mich gerne an, ob bei LinkedIn oder per Mail. Ich freue mich Sie kennenzulernen.

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