Wie behebt man EMV-Probleme?

Behebung von EMV-Problemen – ein Beispiel aus der Praxis

In einem Projekt sollte die Störaussendung eines Gerätes untersucht werden, bevor der EMV Test beim TÜV durchgeführt wird.
Dabei handelte es sich um ein batteriebetriebenes Medizingerät (DUT) mit Anwendungsteil, welches vom DUT versorgt wird und mittels UART kommuniziert.
Die Messung der Störaussendung wurde in einer EMV Kammer durchgeführt, in der die Antenne 3 Meter vom Gerät entfernt ist. Die Antenne wurde horizontal und vertikal ausgerichtet.

Horizontal ausgerichtete Antenne

Vertikal ausgerichtete Antenne

Jedoch zeigte sich, dass das Gerät den EMV Test so nicht bestehen wird, da der Grenzwert an einigen Stellen deutlich überschritten wurde und die Peaks an anderen Stellen nur knapp darunter lagen. Übrigens sind die angezeigten Grenzwerte die Standard-Einstellung des Messempfängers. Für uns sind die Grenzwerte für Medizingeräte nach EN 60601-1-2 anwendbar, die ähnlich, aber leicht unterschiedlich sind.

Die Grenzwerte der Grenzlinie sind übrigens nicht für uns relevant, sondern umgerechnet auf die 3m Antennenabstand.

In diesem Artikel soll es darum gehen, wie man Störquellen, die diese Peaks verursachen, ausfindig macht und diese minimiert.
Die Bilder in den folgenden Kapiteln sind mit horizontaler Antenne aufgenommen, da hier die Abstrahlung am größten war.

 

Grundsätzliche Überlegungen

Im ersten Schritt sollte man die Peaks genauer untersuchen und mit den Frequenzen, die im Gerät genutzt werden, vergleichen.

Frequenzen mit hohen Spitzenwerten in der Emissionsmessung
115 MHz 144 MHz 168 MHz 192 MHz 214 MHz 220 MHz 233 MHz
240 MHz 252 MHz 288 MHz 300 MHz 336 MHz 480 MHz 504 MHz
624 MHz 720 MHz 768 MHz 816 MHz 864 MHz 912 MHz 924 MHz

Dabei sucht man beispielsweise nach folgenden Frequenzen:

  • Arbeitsfrequenz eines Schaltreglers
  • Arbeitsfrequenz eines Mikrocontrollers
  • Clock Frequenz einer Kommunikationsschnittstellen
  • Vielfache einer genutzten Frequenz

Das Gerät verwendet einen EMMC und SDRAM als Speicherbausteine. Betrachtet man die verwendete Clock Frequenz der Speicher und dabei die Peaks in der Messung fällt auf, dass es hier einige Überschneidungen gibt (farbig markiert).

Grundfrequenz und Vielfache der EMMC-Kommunikation
48 MHz 96 MHz 144 MHz 192 MHz 240 MHz 288 MHz 336 MHz
384 MHz 432 MHz 480 MHz 528 MHz 576 MHz 624 MHz 672 MHz
720 MHz 768 MHz 816 MHz 864 MHz 912 MHz 960 MHz
Grundfrequenz und Vielfache der SDRAM-Kommunikation
84 MHz 168 MHz 252 MHz 336 MHz 420 MHz 504 MHz 588 MHz
672 MHz 756 MHz 840 MHz 924 MHz

Um die Vermutung, dass das Problem mit den Speicherbausteinen zusammenhängt, zu bestätigen kann man die Elektronik im Gerät mit einem Spektrum Analyzer untersuchen. Außerdem bietet das die Möglichkeit eventuelle Übertragungsmöglichkeiten der Störung zu lokalisieren.

 

Spektrum Analyzer

Für die Suche nach Störquellen auf Komponenten-Ebene wird ein Spektrum Analyzer benutzt. Mit Nahfeldsonden werden zunächst die Leitung des Anwendungsteils, die Leitungen im Gerät und der Display Konnektor untersucht. Hier konnten die Peaks aus den Laborversuchen nicht gefunden werden.

Im nächsten Schritt wird mit den Sonden auf der gesamten Leiterplatte nach den Frequenzen gesucht, die im Vorversuch kritisch waren.
Tipp: Beginne mit Bereichen in denen potenzielle Störquellen platziert sind, zum Beispiel Schaltregler oder Mikrocontroller.

Die Spannungsversorgung ist hier unauffällig, aber am Mikrocontroller fallen zwei Bereiche auf, die viele der Peaks aus dem Vorversuch zeigen. Sie ahnen es wahrscheinlich schon, es handelt sich um die Pins der Kommunikationsschnittstellen zum EMMC und SDRAM.

Hier bietet sich nun ein Blick in das Layout der Leiterplatte an, da man den Bereich ziemlich gut eingrenzen kann. Nimmt man nun die Schnittstelle zwischen Mikrocontroller und Speicher genauer unter die Lupe zeigt sich, dass diese nicht optimal gelayoutet wurden.

Es gibt Leitungen, die zu Steckern führen und damit offen sind, die hochfrequenten Leitungen sind teilweise sehr lang, die Masseflächen sind nicht geschlossen oder schlecht angebunden und die UART Leitungen zum Anwendungsteil sind nicht ausreichend vor den hochfrequenten Clock Leitungen der Speicher abgeschirmt.

 

Minimierung der Störaussendung

Lagenaufbau einer Leiterplatte

Zunächst etwas Theorie zu hochfrequenten Leitungen …
Der Lagenaufbau der Leiterplatte ist hier dargestellt. Dabei handelt es sich bei den Versorgungsspannungen nicht um durchgehende Flächen, sondern um „Inseln“ in einer GND-Fläche. Das ist kritisch, weil der Strompfad der hochfrequenten Signale so nicht optimal verlaufen kann.

Anders als bei Versorgungsspannungen und niederfrequenten Signalen, die den kürzesten Rückstrompfad aufgrund des geringsten Widerstandes wählen, versucht der Pfad des Rückstromes bei hochfrequenten Signalen so zu verlaufen wie der Signalpfad.

Verläuft der Rückstrompfad nicht parallel zum Signalpfad, weil er durch Flächen unterbrochen wird, bilden beide Pfade eine große Schleife. Diese Schleife kann als Antenne fungieren und zu EMV Problemen führen.

Um solche Probleme zu vermeiden, sollten freie Flächen mit GND gefüllt werden und Versorgungsspannungen als Leiterbahn geroutet werden. Außerdem sollten hochfrequente Leitungen immer so kurz wie möglich gehalten werden.

Mit diesen Erkenntnissen kann man nun verschiedene Maßnahmen testen, um die Störung zu minimieren. Hier die in diesem Fall durchgeführten Maßnahmen:

  • Abschirmen kritischer Bereiche / Komponenten
  • Kondensatoren auf kritischen Leitungen
  • Anpassen des Layouts

Tipp: niemals mehrere Maßnahmen gleichzeitig testen um Zeit zu sparen, da so nicht geklärt werden kann was die tatsächliche Ursache des Problems ist. Testen der Entstörungsmaßnahmen

Zunächst werden die Speicherbausteine mit Kupferfolie abgeschirmt und die Messungen wiederholt.

Speicherbausteine ungeschirmt

Speicherbausteine geschirmt

 

Man kann beobachten, dass die Peaks alle unter den Grenzwert fallen.

Anschließend wird die Kupferfolie entfernt und ein Kondensator auf die UART Leitung gegen GND nahe am Mikrocontroller platziert.

Auch hier kann beobachtet werden, dass die Peaks unter den Grenzwert sinken.
Daraus ergibt sich eine Änderung des Layouts, bevor man mit dem EMV Test fortfahren kann. Hier ein Vergleich der Störaussendung gemessen an der Schnittstelle zum SDRAM.

 

Peak [MHz] 84 168 252 336 420 504 588 673 756 841 924
Alt [dBm] -43,1 -55,3 -35,9 -53 -36,1 -53,1 -41,8 -53,5 -48,3 -56,9 -51,1
Neu [dBm] -49,8 -60,4 -42,6 -53,2 -45,1 -54,9 -51,3 -58,6 -57,9 -65,4 -64,4
6,7 5,1 6,7 0,2 9 1,8 9,5 5,1 9,6 8,5 13,3

Man sieht, dass die Peaks bei allen Frequenzen geringer ausfallen, teilweise sind sie deutlich unter den vorherigen Werten. Mit dem neuen Layout und Kondensator an der UART Leitung ging es nun zum EMV Test.

 

Ergebnis der EMV Messung

Im EMV Labor zeigt sich trotz Modifikationen zunächst folgendes Ergebnis:

Bei 168 MHz liegt der Peak über dem Grenzwert, entfernt man das Anwendungsteil fallen auch die Peaks unter den Grenzwert. Da uns die Frequenz und die mögliche Ursache bekannt sind gibt es eine schnelle Lösung für das Problem. Es wird ein zweiter Kondensator auf die UART Leitung angebracht, diesmal jedoch so nah am Stecker wie möglich. Und nach dieser Modifikation sieh die Wiederholungsmessung so aus:

Ich hoffe, der Artikel hat Ihnen gefallen. Wie man sieht ist manchmal ein Kondensator an der richtigen Stelle die Lösung für ein EMV-Problem – natürlich zusammen mit einem EMV-gerechten Layout. Falls Sie unsere Unterstützung benötigen z. B. durch Reviews oder Messungen können Sie uns jederzeit benachrichtigen.

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Autor

  • Michael Wichert

    Michael hat an der Hochschule Ansbach seinen Bachelorabschluss in biomedizinischer Technik absolviert und einige Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung von Lasern für die Ophthalmologie, Dermatologie und HNO gesammelt. Seit dem Frühjahr 2022 arbeitet er bei MEDtech Ingenieur in der Hardwareentwicklung.

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