Wie behebt man EMV-Probleme?

Kevin Krannich

18/01/2024

Behebung von EMV-Problemen – ein Beispiel aus der Praxis

In einem Projekt sollte die Störaussendung eines Gerätes untersucht werden, bevor der EMV Test beim TÜV durchgeführt wird.
Dabei handelte es sich um ein batteriebetriebenes Medizingerät (DUT) mit Anwendungsteil, welches vom DUT versorgt wird und mittels UART kommuniziert.
Die Messung der Störaussendung wurde in einer EMV Kammer durchgeführt, in der die Antenne 3 Meter vom Gerät entfernt ist. Die Antenne wurde horizontal und vertikal ausgerichtet.

Horizontal ausgerichtete Antenne
Vertikal ausgerichtete Antenne

Jedoch zeigte sich, dass das Gerät den EMV Test so nicht bestehen wird, da der Grenzwert an einigen Stellen deutlich überschritten wurde und die Peaks an anderen Stellen nur knapp darunter lagen. Übrigens sind die angezeigten Grenzwerte die Standard-Einstellung des Messempfängers. Für uns sind die Grenzwerte für Medizingeräte nach EN 60601-1-2 anwendbar, die ähnlich, aber leicht unterschiedlich sind.

Die Grenzwerte der Grenzlinie sind übrigens nicht für uns relevant, sondern umgerechnet auf die 3m Antennenabstand.

In diesem Artikel soll es darum gehen, wie man Störquellen, die diese Peaks verursachen, ausfindig macht und diese minimiert.
Die Bilder in den folgenden Kapiteln sind mit horizontaler Antenne aufgenommen, da hier die Abstrahlung am größten war.

 

Grundsätzliche Überlegungen

Im ersten Schritt sollte man die Peaks genauer untersuchen und mit den Frequenzen, die im Gerät genutzt werden, vergleichen.

Frequenzen mit hohen Spitzenwerten in der Emissionsmessung
115 MHz 144 MHz 168 MHz 192 MHz 214 MHz 220 MHz 233 MHz
240 MHz 252 MHz 288 MHz 300 MHz 336 MHz 480 MHz 504 MHz
624 MHz 720 MHz 768 MHz 816 MHz 864 MHz 912 MHz 924 MHz

Dabei sucht man beispielsweise nach folgenden Frequenzen:

  • Arbeitsfrequenz eines Schaltreglers
  • Arbeitsfrequenz eines Mikrocontrollers
  • Clock Frequenz einer Kommunikationsschnittstellen
  • Vielfache einer genutzten Frequenz

Das Gerät verwendet einen EMMC und SDRAM als Speicherbausteine. Betrachtet man die verwendete Clock Frequenz der Speicher und dabei die Peaks in der Messung fällt auf, dass es hier einige Überschneidungen gibt (farbig markiert).

Grundfrequenz und Vielfache der EMMC-Kommunikation
48 MHz 96 MHz 144 MHz 192 MHz 240 MHz 288 MHz 336 MHz
384 MHz 432 MHz 480 MHz 528 MHz 576 MHz 624 MHz 672 MHz
720 MHz 768 MHz 816 MHz 864 MHz 912 MHz 960 MHz
Grundfrequenz und Vielfache der SDRAM-Kommunikation
84 MHz 168 MHz 252 MHz 336 MHz 420 MHz 504 MHz 588 MHz
672 MHz 756 MHz 840 MHz 924 MHz

Um die Vermutung, dass das Problem mit den Speicherbausteinen zusammenhängt, zu bestätigen kann man die Elektronik im Gerät mit einem Spektrum Analyzer untersuchen. Außerdem bietet das die Möglichkeit eventuelle Übertragungsmöglichkeiten der Störung zu lokalisieren.

 

Spektrum Analyzer

Für die Suche nach Störquellen auf Komponenten-Ebene wird ein Spektrum Analyzer benutzt. Mit Nahfeldsonden werden zunächst die Leitung des Anwendungsteils, die Leitungen im Gerät und der Display Konnektor untersucht. Hier konnten die Peaks aus den Laborversuchen nicht gefunden werden.

Im nächsten Schritt wird mit den Sonden auf der gesamten Leiterplatte nach den Frequenzen gesucht, die im Vorversuch kritisch waren.
Tipp: Beginne mit Bereichen in denen potenzielle Störquellen platziert sind, zum Beispiel Schaltregler oder Mikrocontroller.

Die Spannungsversorgung ist hier unauffällig, aber am Mikrocontroller fallen zwei Bereiche auf, die viele der Peaks aus dem Vorversuch zeigen. Sie ahnen es wahrscheinlich schon, es handelt sich um die Pins der Kommunikationsschnittstellen zum EMMC und SDRAM.

Hier bietet sich nun ein Blick in das Layout der Leiterplatte an, da man den Bereich ziemlich gut eingrenzen kann. Nimmt man nun die Schnittstelle zwischen Mikrocontroller und Speicher genauer unter die Lupe zeigt sich, dass diese nicht optimal gelayoutet wurden.

Es gibt Leitungen, die zu Steckern führen und damit offen sind, die hochfrequenten Leitungen sind teilweise sehr lang, die Masseflächen sind nicht geschlossen oder schlecht angebunden und die UART Leitungen zum Anwendungsteil sind nicht ausreichend vor den hochfrequenten Clock Leitungen der Speicher abgeschirmt.

 

Minimierung der Störaussendung

Lagenaufbau einer Leiterplatte

Zunächst etwas Theorie zu hochfrequenten Leitungen …
Der Lagenaufbau der Leiterplatte ist hier dargestellt. Dabei handelt es sich bei den Versorgungsspannungen nicht um durchgehende Flächen, sondern um „Inseln“ in einer GND-Fläche. Das ist kritisch, weil der Strompfad der hochfrequenten Signale so nicht optimal verlaufen kann.

Anders als bei Versorgungsspannungen und niederfrequenten Signalen, die den kürzesten Rückstrompfad aufgrund des geringsten Widerstandes wählen, versucht der Pfad des Rückstromes bei hochfrequenten Signalen so zu verlaufen wie der Signalpfad.

Verläuft der Rückstrompfad nicht parallel zum Signalpfad, weil er durch Flächen unterbrochen wird, bilden beide Pfade eine große Schleife. Diese Schleife kann als Antenne fungieren und zu EMV Problemen führen.

Um solche Probleme zu vermeiden, sollten freie Flächen mit GND gefüllt werden und Versorgungsspannungen als Leiterbahn geroutet werden. Außerdem sollten hochfrequente Leitungen immer so kurz wie möglich gehalten werden.

Mit diesen Erkenntnissen kann man nun verschiedene Maßnahmen testen, um die Störung zu minimieren. Hier die in diesem Fall durchgeführten Maßnahmen:

  • Abschirmen kritischer Bereiche / Komponenten
  • Kondensatoren auf kritischen Leitungen
  • Anpassen des Layouts

Tipp: niemals mehrere Maßnahmen gleichzeitig testen um Zeit zu sparen, da so nicht geklärt werden kann was die tatsächliche Ursache des Problems ist. Testen der Entstörungsmaßnahmen

Zunächst werden die Speicherbausteine mit Kupferfolie abgeschirmt und die Messungen wiederholt.

Speicherbausteine ungeschirmt
Speicherbausteine geschirmt

 

Man kann beobachten, dass die Peaks alle unter den Grenzwert fallen.

Anschließend wird die Kupferfolie entfernt und ein Kondensator auf die UART Leitung gegen GND nahe am Mikrocontroller platziert.

Auch hier kann beobachtet werden, dass die Peaks unter den Grenzwert sinken.
Daraus ergibt sich eine Änderung des Layouts, bevor man mit dem EMV Test fortfahren kann. Hier ein Vergleich der Störaussendung gemessen an der Schnittstelle zum SDRAM.

 

Peak [MHz] 84 168 252 336 420 504 588 673 756 841 924
Alt [dBm] -43,1 -55,3 -35,9 -53 -36,1 -53,1 -41,8 -53,5 -48,3 -56,9 -51,1
Neu [dBm] -49,8 -60,4 -42,6 -53,2 -45,1 -54,9 -51,3 -58,6 -57,9 -65,4 -64,4
6,7 5,1 6,7 0,2 9 1,8 9,5 5,1 9,6 8,5 13,3

Man sieht, dass die Peaks bei allen Frequenzen geringer ausfallen, teilweise sind sie deutlich unter den vorherigen Werten. Mit dem neuen Layout und Kondensator an der UART Leitung ging es nun zum EMV Test.

 

Ergebnis der EMV Messung

Im EMV Labor zeigt sich trotz Modifikationen zunächst folgendes Ergebnis:

Bei 168 MHz liegt der Peak über dem Grenzwert, entfernt man das Anwendungsteil fallen auch die Peaks unter den Grenzwert. Da uns die Frequenz und die mögliche Ursache bekannt sind gibt es eine schnelle Lösung für das Problem. Es wird ein zweiter Kondensator auf die UART Leitung angebracht, diesmal jedoch so nah am Stecker wie möglich. Und nach dieser Modifikation sieh die Wiederholungsmessung so aus:

Ich hoffe, der Artikel hat Ihnen gefallen. Wie man sieht ist manchmal ein Kondensator an der richtigen Stelle die Lösung für ein EMV-Problem – natürlich zusammen mit einem EMV-gerechten Layout. Falls Sie unsere Unterstützung benötigen z. B. durch Reviews oder Messungen können Sie uns jederzeit benachrichtigen.


Geschrieben von Kevin Krannich

Kevin hat eine Ausbildung zum Kaufmann für Marketingkommunikation abgeschlossen und vor allem Erfahrung im Bereich des Onlinemarketings gesammelt. Er ist seit Mai 2023 bei MEDtech Ingenieur in der digitalen Außenkommunikation mit dabei.


Weitere Beiträge

  • 19/03/2025
  • Allgemein, Unternehmen, Veranstaltungen

Wir freuen uns, euch zu einem exklusiven VDI-Event des Netzwerk Systems Engineering einzuladen, das bei uns im Büro stattfindet!Am Freitag, den 28. März 2025, wird sich alles um die ...

Weiterlesen
  • 13/03/2025
  • Allgemein, Unternehmen

MEDtech Ingenieur verstärkt sein Führungsteam: Seit März 2025 übernimmt Daniel Saffer die Rolle des Chief Technical Officers (CTO). Mit seiner langjährigen Erfahrung in der Entwicklung sicherheitskritischer Embedded-Softwarelösungen für die ...

Weiterlesen
  • 29/01/2025
  • Allgemein, Hardware, Testen

EinleitungUm bei der EMV Prüfung für die Zulassung neuer medizintechnischer Geräte das Risiko zu reduzieren machen wir gerne Vortests mit den Geräten in der Prototypen Phase. Aktuell unterstützen wir ...

Weiterlesen
Cookie-Übersicht

Die Internetseiten der MEDtech Ingenieur GmbH verwenden Cookies. Cookies sind Textdateien, welche über einen Internetbrowser auf einem Computersystem abgelegt und gespeichert werden.

Zahlreiche Internetseiten und Server verwenden Cookies. Viele Cookies enthalten eine sogenannte Cookie-ID. Eine Cookie-ID ist eine eindeutige Kennung des Cookies. Sie besteht aus einer Zeichenfolge, durch welche Internetseiten und Server dem konkreten Internetbrowser zugeordnet werden können, in dem das Cookie gespeichert wurde. Dies ermöglicht es den besuchten Internetseiten und Servern, den individuellen Browser der betroffenen Person von anderen Internetbrowsern, die andere Cookies enthalten, zu unterscheiden. Ein bestimmter Internetbrowser kann über die eindeutige Cookie-ID wiedererkannt und identifiziert werden.

Durch den Einsatz von Cookies kann die MEDtech Ingenieur GmbH den Nutzern dieser Internetseite nutzerfreundlichere Services bereitstellen, die ohne die Cookie-Setzung nicht möglich wären.

Mittels eines Cookies können die Informationen und Angebote auf unserer Internetseite im Sinne des Benutzers optimiert werden. Cookies ermöglichen uns, wie bereits erwähnt, die Benutzer unserer Internetseite wiederzuerkennen. Zweck dieser Wiedererkennung ist es, den Nutzern die Verwendung unserer Internetseite zu erleichtern. Der Benutzer einer Internetseite, die Cookies verwendet, muss beispielsweise nicht bei jedem Besuch der Internetseite erneut seine Zugangsdaten eingeben, weil dies von der Internetseite und dem auf dem Computersystem des Benutzers abgelegten Cookie übernommen wird.

Die betroffene Person kann die Setzung von Cookies durch unsere Internetseite jederzeit mittels einer entsprechenden Einstellung des genutzten Internetbrowsers verhindern und damit der Setzung von Cookies dauerhaft widersprechen. Ferner können bereits gesetzte Cookies jederzeit über einen Internetbrowser oder andere Softwareprogramme gelöscht werden. Dies ist in allen gängigen Internetbrowsern möglich. Deaktiviert die betroffene Person die Setzung von Cookies in dem genutzten Internetbrowser, sind unter Umständen nicht alle Funktionen unserer Internetseite vollumfänglich nutzbar.

Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Unbedingt notwendige Cookies

Dieses Cookie wird benötigt, um Ihre Cookie-Einstellungen zu merken und weitere Hauptfunktionen zur Verfügung zu stellen

Um Ihnen eine Auskunft über Ihre gespeicherten personenbezogenen Daten hier (https://medtech-ingenieur.de/gespeicherte-daten-2/) geben zu können, benötigen wir einen Cookie, um Sie bei der Datenabfrage identifizieren zu können. Dieser Cookie muss aus Sicherheitsgründen deshalb aktiviert sein. Ein weiterer Cookie wird gesetzt, um diesen Banner nicht erneut anzeigen zu müssen.

Cookie-Name Beschreibung
PHPSESSID Name: PHP session
Anbieter:
Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck:
Wir benötigt, um Sie bei der Anfrage von personenbezogenen Daten identifizieren zu können. Das Cookie wird nur gesetzt, wenn Sie eine Anfrage hier (https://medtech-ingenieur.de/gespeicherte-daten-2/) stellen.
Laufzeit: Sitzungsende
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies
moove_gdpr_popup Name: Cookie-Box Einstellungen
Anbieter:
Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck:
Wird benötigt, um Ihre Cookie-Einstellungen zu speichern, um den Cookie-Banner nicht erneut anzeigen zu müssen.
Laufzeit: 1 Jahr
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies
comment_author_9c90e388e3e1be4a6c594fa6ac8a3eec
comment_author_email_9c90e388e3e1be4a6c594fa6ac8a3eec
comment_author_url_9c90e388e3e1be4a6c594fa6ac8a3eec
Name: Kommentar Einstellungen
Anbieter:
Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck:
Cookie wird angelegt, wenn Sie ein Kommentar auf MEDtech Ingenieur veröffentlichen wollen, um Sie als Autor identifizieren und den aktuellen Status Ihres Kommentars anzeigen zu können. Das Cookie enthält den angegebenen Namen. Das Cookie wird erst gesetzt, wenn Sie der Speicherung Ihrer personenbezogenen Daten zustimmen.
Laufzeit: 1 Jahr
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies
rmp-rate Name: RMP Rate
Anbieter: Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck: Cookie wird angelegt, wenn Sie eine Bewertung eines Blogbeitrags mithilfe des Sternebewertungssystems abgeben. Ihnen wird eine anonymisierte ID zugewiesen, um zu erkennen, ob Sie einen Artikel bereits bewertet haben oder nicht. Das Cookie wird nur verwendet, um zu verhindern, dass mehrfache Bewertung abgegeben werden und erst gesetzt, wenn Sie auf einen Stern klicken.
Laufzeit: 1 Jahr
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies
medtech-download-page Name: Download Page
Anbieter: Eigentümer der Webseite (MEDtech Ingenieur)
Zweck: Cookie wird angelegt, wenn Sie den Landing-Page Prozess erfolgreich durchlaufen haben. Dies geschieht nur, wenn Sie einen Content-Download von unserer Website anstreben.
Laufzeit: 1/2 Jahr
Kategorie: Unbedingt notwendige Cookies