Additive Fertigung in der Medizintechnik – Fertigungsmethoden und Rapid Prototyping

Du hast dich für den 3D-Druck entschieden, aber bist noch nicht sicher, welches Verfahren das Richtige für deine Anwendung ist? Im folgenden Blogbeitrag beleuchten wir einmal die gängigen Verfahren und stellen uns jeweils die Frage, bei welchem Anwendungsbereich diese am besten angewendet werden. Lass uns dafür zunächst mal klären: Was ist eigentlich additive Fertigung und warum ist das so ein Hype?

Additive Fertigung & Rapid Prototyping

Die additive Fertigung, auch als 3D-Druck bezeichnet, ermöglicht die Revolutionierung der Herstellung von Bauteilen und Produkten durch schichtweisen Materialauftrag anstelle der etablierten, oft spanenden Fertigungsmethoden. Die Innovation ermöglicht die Herstellung komplexer Geometrien und maßgeschneiderter Produkte mit hoher Präzision, vernachlässigbarem Zeitaufwand und geringem Materialverlust.

Das „Rapid Prototyping“ bezeichnet einen zentralen Anwendungsbereich der additiven Fertigung. Es geht dabei um die schnelle Herstellung von Prototypen zur Evaluierung von Design, Form und Funktionalität in frühen Entwicklungsstadien. Durch den Einsatz fortschrittlicher Verfahren wie Fused Deposition Modeling (FDM), Stereolithografie (SLA), Selektives Lasersintern (SLS) und Selektives Laserschmelzen (SLM) können Ingenieure in kürzester Zeit physische Modelle erstellen, testen und iterieren.

Die additive Fertigung eröffnet speziell in der Medizintechnik völlig neue Möglichkeiten – von patientenspezifischen Implantaten bis hin zu optimal angepassten chirurgischen Instrumenten. Diese Technologien fördern nicht nur Innovation, sondern beschleunigen auch Entwicklungszyklen und reduzieren die Kosten, während sie gleichzeitig die Individualisierungsmöglichkeiten verbessern.

Welche additiven Fertigungsmethoden werden in der Medizintechnik eingesetzt?

1. Fused Deposition Modeling (FDM)

Fused Deposition Modeling (FDM) ist ein im Consumerbereich weit verbreitetes additives Fertigungsverfahren.

Dabei wird ein thermoplastischer Filamentdraht durch eine auf 200 bis 300 °C erhitzte Düse extrudiert. Das Material wird schichtweise auf eine Bauplattform aufgetragen, wo es schnell abkühlt und aushärtet.

Durch wiederholtes Auftragen dieser Schichten entsteht das gewünschte Objekt (siehe Abb. 1-A). Besonders beliebt ist diese Technik aufgrund der einfachen Anwendung und der schnellen Inbetriebnahme eines neuen 3D-Druckers. Auch das im Vergleich zu SLA-Druckern große und gut skalierbare Druckvolumen ist ein besonderer Pluspunkt.

Weit verbreitet sind Geräte der Hersteller „Bambu Lab“ oder „Prusa3D“, da sie eine sehr hohe Geschwindigkeit, ein exzellentes Druckbild direkt ab Werk, eine geringe Ausfallrate und eine hohe Maßhaltigkeit der gedruckten Teile bieten.

Da vor allem der Consumer-Markt durch eine Vielzahl von Billigangeboten – vor allem aus China – gesättigt ist, sind bei weitem nicht alle Hersteller in der Lage, mit diesen Qualitäten zu glänzen, was dem Ruf von FDM-Druck im professionellen Umfeld schadet.

Durch rapide Fortschritte in den letzten Jahren ist es zunehmend möglich, mit einem finanziell erschwinglichen System (~ 2000€) die meisten Prototypingaufgaben zu bewältigen. Zunehmend treten auch Mehrfilamentsysteme auf den Markt, mit welchen ebenfalls die Nachteile von Supportstrukturen maßgeblich durch den Einsatz von eigens dafür entwickelten Kunststofftypen reduziert werden können.

Ebenso können verschiedene Kunststofftypen kombiniert werden, wie z.B. PLA und PETG, da diese gegenseitig nicht anhaften und somit eine glattere Oberfläche hinterlassen als mit Stützstrukturen aus demselben Material.

Vorteile von FDM: Nachteile von FDM:
  • Kosteneffizienz
  • Benutzerfreundlichkeit
  • Materialvielfalt
  • Detailgenauigkeit
  • Notwendigkeit von Stützstrukturen
  • Nachbearbeitung von Kontaktflächen mit Stützstruktur bei Verwendung von einem Filamenttyp
  • Mechanische Eigenschaften

 

2. Stereolithografie (SLA)

Bei diesem Verfahren wird ein flüssiges Photopolymerharz durch einen UV-Laser oder UV-LEDs punktuell ausgehärtet. Dabei fährt im Vergleich zur FDM-Fertigung die Druckplattform von oben in ein Becken mit entsprechendem Photopolymer und wird für jeden Aushärtevorgang um eine Schichthöhe angehoben.

An der Grenzfläche zwischen Beckenboden und Druckbett bzw. Werkstück findet dann die Aushärtung statt. Anschließend wird diese um eine Schichthöhe angehoben und der Vorgang wiederholt sich. Typischerweise werden dabei Schichthöhen von min 0,02 mm bis 0,05 mm verwendet, was eine hohe Auflösung und geringe Erkennbarkeit von individuellen Schichten zur Folge hat.

Nach dem Druckvorgang muss das Objekt von etwaiger Stützstruktur befreit und mit Ethanol gereinigt werden, um übrige Harzreste zu entfernen. Danach folgt ein letzter Aushärtungsschritt unter einer UV-Lichtquelle. Erst nach diesem Prozess ist das Objekt einsatzbereit und kann in Hautkontakt kommen, da die meisten Polymerharze im flüssigen, unausgehärteten Zustand Hautreizungen verursachen können.

Vorteile Nachteile
  • Hohe Auflösung und Detailgenauigkeit
  • Glatte Oberflächen
  • Hohe Materialauswahl an biokompatiblen Polymeren
  • Geringer Materialausschuss
  • Hohe Fertigungsgeschwindigkeit möglich
  • Höhere Kosten als FDM (immer noch vergleichsweise günstig)
  • Nachbearbeitung und Nachhärtung des Bauteils nötig
  • Begrenztes Bauvolumen
  • Gesundheitsrisiken durch unverarbeitetes Kunstharz

 

3. SLS & SLM

Der grundlegende Verarbeitungsvorgang zwischen selektivem Lasersintern und selektivem Laserschmelzen (SLS und SLM) ist verwandt und unterscheidet sich hauptsächlich in der Materialwahl (Polymerpulver oder Metallpulver), der Verarbeitungstemperatur und der damit verbundenen, nötigen Energie.

Beide Verfahren nutzen einen Laser, der das Pulver auf einem Pulverbett selektiv verschmilzt. Der Hauptunterschied liegt in der Intensität der Laserenergie: Während SLS das verwendete Polymerpulver knapp über den Schmelzpunkt erhitzt und somit die Partikel sintert, schmilzt SLM das Metallpulver vollständig auf und erzeugt dadurch dichte, homogene Metallteile. Nach jeder Schicht fährt ein Roller über das Pulverbett und trägt eine neue Schicht Pulver auf.

Beide Technologien ermöglichen die Herstellung komplexer Geometrien ohne zusätzliche Stützstrukturen und bieten hohe Präzision und Flexibilität.

Vorteile Nachteile
  • Keine Stützstrukturen nötig, das ungenutztes Pulver dient zur Abstützung
  • Gleichmäßige und herausragende mechanische Eigenschaften
  • Hohe Yield – Rate bei Ausnutzen des kompletten Bauraumes pro Druckvorgang
  • Oberflächenrauigkeit
  • Hohe Initialkosten im Vergleich zu den anderen beiden Verfahren
  • Hoher Energiebedarf
  • Pulverhandhabung umständlich und potenziell gesundheitsschädlich
  • Nachbearbeitung notwendig und meist umfangreich

 

Was versteht man unter Rapid Prototyping?

Rapid Prototyping bezeichnet die schnelle Herstellung von Prototypen, unter anderem mit Hilfe additiver Fertigungstechnologien. Es versetzt Designer und Ingenieure in die Lage, schnell und kostengünstig physische Modelle ihrer Entwürfe zu erstellen und diese zu testen. Dies beschleunigt den Entwicklungsprozess erheblich, da iterative Designänderungen und Funktionstests frühzeitig durchgeführt werden können. Dabei können auch Subsysteme getestet werden. Dies kann die Iterationszeit weiter verkürzen.

In der Medizintechnik hat das Rapid Prototyping in Kombination mit der additiven Fertigung eine besonders elementare Rolle: Es ermöglicht die Erstellung patientenspezifischer Modelle für die präoperative Planung sowie die Generierung individueller Implantate und maßgeschneiderter Prothesen und Orthesen sowie spezifisch angepasste chirurgische Instrumente auf Basis fallspezifischer Diagnostikdaten.

Diese maßgeschneiderten Lösungen verbessern nicht nur die Präzision und Effizienz chirurgischer Eingriffe, sondern erhöhen auch den Komfort und die Lebensqualität der Patienten erheblich, während gleichzeitig die Fertigungskosten wie auch die Produktionszeit und Lieferzeiten gesenkt werden können.

Eine Auswahl an individuellen Modellen und Einmalwerkzeug, hergestellt von Restor3D. @formlabs.com

Durch diese neuen Fertigungstechniken sind auch völlig neue Ansätze möglich, wie zum Beispiel eine Schiene, die den Arm nach einem Bruch stabilisiert und gleichzeitig mehr Licht und Luft an die Haut lässt als der klassische Gipsverband.

Patient mit 3D-gedruckter Schiene am Arm

Auf diesem Bild ist gut zu sehen, wie eine 3D gedruckte Schien am Arm aussieht. @Instructables.com

Durch den Einsatz von Kunststoff anstatt des üblichen Gips ist die Schiene ebenfalls wasserbeständig und schränkt somit die Hygiene des Trägers nicht ein, ist zudem leichter und kann bei Untersuchungen einfach abgenommen und danach wiederverwendet werden. Mit einem 3D-Scanner, einem Handy mit integriertem Lidar-Sensor, aber auch über Photogrammetrie kann eine solche Schiene schnell und einfach generiert werden. Die Fertigung erfolgt dann am besten mittels des SLS-Verfahrens, um eine gleichmäßige Kraftaufnahme zu gewährleisten.

So, das war’s auch schon fürs Erste. Ich hoffe, du konntest einen guten Überblick über die unterschiedlichen Verfahren gewinnen und die richtige Methode für dein Protoyping-Vorhaben auswählen. Im zweiten Blogteil werde ich darauf aufbauen und erklären, was bei der Materialwahl zu beachten ist und welche Regulatorien damit zusammenhängen. Außerdem werden wir noch kurz einen Blick auf den Bio-3D Druck werfen. Folg uns auf Social Media oder abonniere unseren Newsletter, um den zweiten Teil nicht zu verpassen!

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Autor

  • Thomas Muggenthaler

    Thomas hat seinen Bachelorabschluss in der biomedizinischen Technik und seinen Master in Medizintechnik an der FAU abgeschlossen. Bei MEDtech Ingenieur hat er sich vor allem auf die Entwicklung von Embedded-Systems und den 3D Druck in der Medizintechnik konzentriert.

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